LESEZEIT: 4 MIN

Interview mit Herrn Rainer Kolm, Inhaber des Instituts für Customer Experience Management (i-CEM) und Initiator der CX Trendstudie 2019.
Die Trendstudie zeigt ein deutliches Bild zum Stand des Customer Experience Managements in deutschen Unternehmen. In diesem Beitrag erfahren Sie einige wichtige Aspekte aus der Studie, sowie Herrn Kolms Einschätzung zum Customer Experience im Rahmen der Digitalisierung. Das Interview führte Dirk Majchrzak.

DM: Herr Kolm, womit beschäftigt sich Ihr Institut, i-CEM?

RK: Das Institut für Customer Experience Management (i-CEM) ist ein Netzwerk von Know-how Trägern und Technologieanbietern im Bereich des innovativen Kundenbeziehungs-Managements.
Wir bringen Forschung, Technologie und Beratung zusammen, um gemeinsam neue, zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln.
Durch jahrelange Erfahrung in verschiedensten operativen und strategischen Aufgaben im Bereich Customer Experience Management arbeiten wir sehr praxisnah und ergebnisorientiert.

DM: Was war der Anlass Ihrer Trendstudie?

RK: Wir wollten dokumentieren, wie der aktuelle Stand zum Thema CEM/CX ist. Es gibt hierzu viele amerikanische und internationale Studien, aber keine explizit für den deutschsprachigen Raum. Unser Ziel war es, so zu einer Schärfung des Themas und einer besseren Verortung beizutragen. Wir wollten herausfinden, wer ist verantwortlich, wo sitzen die Verantwortlichen und wer treibt das Thema CX mit welcher Motivation und welchen Mitteln voran.
Mit dieser Motivation nutzen wir die Ergebnisse, um mit den Verantwortlichen Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren, um so das Thema Customer Experience weiter in Unternehmen zu verankern und voranzutreiben.

DM: Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Digitalisierung im Rahmen des Customer Experience Managements?

RK: Die Digitalisierung setzt den Rahmen für das CEM/CX. Zum einen durch zugänglichere Daten – niemand muss sich mehr mit Bleistift und Papier neben einen Mitarbeiter setzen, um Auswertungen zu erhalten – zum anderen durch die größere und größer werdende Anzahl der Kontaktpunkte bzw. Touchpoints von Interessenten und Kunden mit Unternehmen. Um Kundenerlebnisse wirklich gelungen zu gestalten, muss den Systemen und Menschen klar sein, was mit jedem Kunden wo geschehen ist – egal ob Webseite, Mobile App, Hotline oder Facebook. Die Digitalisierung verändert die Organisation und die Kommunikation innerhalb und außerhalb der Unternehmen – die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten.

DM: Laut Ihrer Studie verfügen über 72% der Unternehmen über Customer Journey Maps. Haben Sie Hinweise wie die daraus gewonnenen Erkenntnisse in den Unternehmen operativ umgesetzt werden?

RK: Customer Journey Maps dienen einerseits um das ‚Ist-Bild‘ fest zu legen, das hilft ganz konkret Engpässe in der Kundenerfahrung aufzuzeigen. Hierbei kann die Journey Map also als diagnostisches Instrument helfen die Verbesserungen zu priorisieren. Bei einer guten Umsetzung kann das sogar auf (Semi-)Live Basis erfolgen. Anderseits ist das Mapping das wichtigste Mittel, um die Kundenstrategie eindeutig festzulegen und ein ‚Soll-Bild‘ zu schaffen. Hiermit wird dann auch von der reinen Fehlerbehebung umgestiegen auf ein bewusstes, konkret geschaffenes Kundenerlebnis.

Tipp – Die ausführliche Studie finden Sie hier:
CX Trendstudie 2019

DM: Die manuelle bzw. individuelle Auswertung der CX stellt den Löwenanteil. Nur 5% entfallen auf KI-Verfahren. Welche Verfahren kommen hier zum Einsatz?

RK: Es sind nicht KI-Verfahren nach der reinen Lehre des Machine Learning, sondern im aktuellen Praxiseinsatz Hybridformen basierend auf Process Mining, Text Analytics und Big Data Analyse. Hauptanwendung ist die Sentimentanalyse im Bereich von offenem Kundenfeedback, um Prozessanomalien von Kundeninteraktionen aus Transaktionssystemen und Big-Data-Kundendatenanalyse zu erkennen. Als Zielsetzung gilt es, Next Best offers oder Churn Prediction zu generieren.

DM: Wenn ich heute einen CX Manager im Unternehmen einstellen möchte, welche Stellenbeschreibung hätte die Stelle und welche Qualifikationen müsste der Kandidat mitbringen?

RK: Der Kandidat sollte ein Liebhaber von Prozessen und Optimierung sein, ein ausgezeichneter Kommunikator und erfahren im Stakeholder Management. Ein Teamplayer der in der Lage ist alle einzubeziehen, um gemeinsam bereichsübergreifende Ergebnisse zu erzielen. Zusätzlich sollte er gute Projektmanagementfähigkeiten haben und ein Verständnis der Digitalen Marketing Landschaft und Customer Care Organisationen mitbringen.

DM: Ihre Studie bezieht sich auf den deutschen Markt. Haben Sie eine Tendenz, wie sich deutsche Unternehmen im Vergleich zum amerikanischen Markt schlagen?

RK: Deutsche Unternehmen beginnen das Thema CX ganzheitlicher zu denken (Inside-Out-Daten den Outside-In-Daten gegenüberstellen, Mess- und Steuerungssysteme, Process Mining) dafür sind amerikanische Unternehmen teils weiter fortgeschritten im Einsatz einzelner Teillösungen und Tools.
Es gibt hier natürlich auch den Vorteil, dass der „Späterkommende“ die Fehler der Früheinsteiger vermeiden kann. Es wird bei deutschen Firmen von Anfang an auf den ROI geachtet, der bei amerikanischen Firmen manchmal ins Hintertreffen gerät. Anderseits muss man doch leider auch feststellen, dass es recht viele ‚Alibi-Abteilungen‘ gibt unter den deutschen CX Managern.

DM: Ist CEM ein Pflicht-Thema der Geschäftsführung?

RK: Ja. Sofern nicht, bleibt es ein Strohfeuer oder z.B. NPS-Messung als Selbstzweck. Von punktuellen Verbesserungen an spezifischen Touchpoints abgesehen. CEM ist Unternehmenskultur, Führungsprinzip, DNA des Unternehmens.

Die Optimierung der Customer Experience ist eine abteilungsübergreifende Aufgabe. Alle Stakeholder müssen in das Persona- und Journey-Mapping integriert werden (Customer Service, Sales, Reporting, IT, Marketing, HR) und zusammen das Wer? Wann? Was? und Wie? klären. Wer sind Ihre Kunden (Personas)? Wann gibt es welche Berührungspunkte auf der Kundenreise (Touchpoints) und welche Wahrnehmung wird ausgelöst? Was sind die Ziele, Erwartungen und Erlebnisse Ihrer Kunden? Wie wird das durch dahinterliegende Prozesse, Abteilungen und Systeme beeinflusst?
Der größte Hebel ist, wie in den meisten Change-Projekten, der Einfluss in die Organisation und die Priorisierung durch die Geschäftsführung.

DM: Vielen Dank für das Gespräch!

Rainer Kolm

Rainer Kolm

Rainer Kolm arbeitete als Bereichsleiter und Geschäftsführer in unterschiedlichen Branchen wie dem Handel, dem Tourismus, der Telekommunikation und in der Beratung. Seit 2010 ist Rainer Kolm Inhaber des Instituts für Customer Experience Management (i-CEM) und berät Unternehmen und Institutionen in den Themen Kundenservice, Social Media , Social CRM, Social Enterprise und Personal. Seit 1996 gibt er seine Erfahrungen in den Bereichen Kundenservice und Social Media als Dozent an verschiedenen Weiterbildungseinrichtungen und Hochschulen weiter. www.i-cem.de → XING

Share via
Copy link
Powered by Social Snap