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Die digitale Kundenbindung bietet ein großes Potenzial mit der Zielgruppe lange vor der Transaktion eine Bindung zu etablieren. Eine Studie von Capgemini Consulting zeichnet allerdings ein äußerst schwaches Bild zur Effektivität von Kundenbindungs-Programmen. Schon 3 Zahlen der Studie reichen aus, um festzustellen, dass die Kundenbindung im digitalen Zeitalter zunehmend ins Leere läuft. Mit diesem 2-teiligen Beitrag beschreibe ich zunächst in Teil 1, wie Programme zur digitalen Kundenbindung neu zu denken sind. In Teil 2 zeige ich einige wichtige Aspekte zur erfolgreichen Implementierung im digitalen Kontext auf.

Werfen wir zunächst einen kurzen ernüchternden Blick auf den erhobenen Status Quo:

  • Weniger als 50% der abonnierten Systeme werden von den Kunden genutzt
  • 90% der Nutzer sind laut einer Social Media Sentiment Analyse mit dem Programm unzufrieden
  • 77% aller eingeführten Programme werden nach 2 Jahren wieder eingestellt

(Quelle: Capgemini Consulting, 2014,Fixing the Cracks: Reinventing Loyalty Programs for the Digital Age)

Das Investitionsvolumen für derartige Programme ist oft relativ hoch. Umso ärgerlicher ist es, wenn sich diese als Fehl-Investitionen erweisen. Doch gerade in Zeiten des multioptionalen Kunden, absoluter Preis-Transparenz und einer hohen Markt-Dynamik, ist es wichtiger denn je den Kunden zu binden.

Nun sollte die Digitalisierung dem Aufbau von Beziehungen zwischen der Zielgruppe und dem Unternehmen eigentlich dienlich sein. Doch derart eindeutige Zahlen wie in der o.a. Studie lassen vermuten, dass hier ein systemischer Fehler bei der Konzeption und Implementierung derartige Programme vorliegt. Die digitale Gesellschaft straft dies mit konsequenter Missachtung. Die Maßnahmen zur digitalen Kundenbindung unterliegen somit den gleichen Herausforderungen wie das klassische Marketing.

Transaktionsbasierte Kundenbindungs-Programme dominieren den Markt

Im Jahre 2002 launchte die Deutsche Telekom zusammen mit KARSTADT „Happy Digits“, eines der ersten Programme zur digitalen Kundenbindung mit einer signifikanten Reichweite. Im Jahre 2013 wurde das Programm eingestellt. Neben einigen anderen Anbietern gilt in Deutschland „Payback“ zu einem der bekanntesten Playern. „Payback“ hat die Mechanik des Programms bereits im Namen: Rückzahlung.

Diese Mechanik ist die Grundlage vieler – um nicht zu sagen fast aller Kundenbindungs-Programme. 97% der untersuchten Programme* funktionieren nach dem Prinzip der Rückvergütung. Dabei variieren die Rückvergütungen über Treue-Punkte, Gutscheine, Zusatzleistungen bis hin zum konkreten Guthaben in Euro. Die Mechanik ist aber aus Sicht des Kunden die Gleiche: Ich kaufe ein Produkt oder eine Dienstleistung und nachträglich wird der Leistungsbezug durch Incentivierung vergünstigt.

Eine Frage sollte sich an dieser Stelle jedem Budget-Verantwortlichen stellen:
Warum wird weiterhin in eine Incentivierungs-Mechanik investiert, wenn diese von den Kunden kaum wahrgenommen bzw. genutzt wird und dazu noch die Einstellung der Kunden negativ beeinflusst?

Die digitale Kundenbindung beginnt lange vor der Transaktion

Wer im digitalen Zeitalter, das eigene Kundenbindungs-Programm nur auf transaktionsbasierte Vergütungen beschränkt, verschenkt wertvolle Potenziale. Zudem läuft er Gefahr, am Kundennutzen größtenteils vorbei zu incentivieren.

Ich möchte an dieser Stelle nicht tiefer auf die Customer Journey des 21. Jahrhunderts eingehen. Bedenken Sie aber, dass der Kaufakt den geringsten Teil des Lifecycle Prozesses ausmacht. Die meisten digitalen Kundenbindungs-Programme basieren aber auf der Annahme, dass erst durch den Kauf auch eine Bindung entstehen kann bzw. lohnenswert ist. Dieses Schema erscheint zunächst nachvollziehbar. Im Zeitalter von analogen Distributions-Medien war der Kaufakt auch der erste bidirektionale Touchpoint. Im digitalen Zeitalter sind nun aber die Touchpoints wesentlich unmittelbarer, selbstbestimmter, facettenreicher und prinzipiell bidirektional.

Dies führt dazu, dass die Konsumenten prinzipiell nur noch diese Touchpoints ansteuern, die einen subjektiven Mehrwert bieten. Eine Incentivierung allein reicht im Zeitalter der absoluten Preistransparenz ohnehin nicht aus. Denn ein günstigeres Angebot ist oft mit geringerem Aufwand gefunden, als der Registrierungsprozess eines Kundenbindungs-Programms durchlaufen werden kann. In der digitalen Gesellschaft ist die konsequente Antizipation der Zielgruppen-Bedürfnisse der einzige wirklich nachhaltige Zugang. Fern ab von Rabattschlachten, Rückvergütungen oder massiver Push-Kommunikation.


Der Kunde des 21. Jahrhunderts möchte zunehmend wie ein Partner der Marke oder des Unternehmens wertgeschätzt werden. Integrale Maßnahmen zur digitalen Kundenbindung liefern ihm vom Erst-Kontakt an relevanten Mehrwert. Lange bevor eine Transaktion für ihn in Frage kommt.

Das Kundenbindungs-Programm wird integraler Teil der Customer Journey

Das Zeitalter des „Total Customer Control“ (Joe Pulizzi, 2013: Epic Content Marketing) kennt auch mit Kundenbindungs-Programmen keine Gnade. Wie oben beschrieben sind Relevanz, Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung und Wertschätzung heute die einzigen Werte mit denen Unternehmen in den Fokus ihrer Zielgruppe gelangen.

Zunächst müssen die Kundenbindungs-Programme aus dem Silo der After Sales Services heraus. Durch eine integrale Verbindung mit der Customer Journey, ergeben sich dann ganz andere Modelle als die bekannten „Kickback“ Programme. Die integralen Modelle setzen einen sukzessiven Beziehungs-Aufbau um. Die Transaktion ist hierbei nur ein Teil des Programms, aber nicht zwingend der Fokus. Der (potenzielle) Kunde durchläuft über seine Customer Journey hierbei aufbauenden Level des Kundenbindungs-Programms. Die Qualifizierung des potenziellen Kunden und dessen Bindungs-Potenzial nehmen dabei stetig zu. Relevanz, Vertrauen und gegenseitige Kenntnisse wachsen sukzessive und die Beziehung wird zunehmend resistenter gegenüber äußerer Einflüsse.
Selbstredend müssen auch die KPI eines integralen Kundenbindungs-Programms neu ausgerichtet werden. Unbestritten sind Kennzahlen wie Umsatz, Punktestand und Incentive-Bezug wichtige Größen. Allerdings sagen sie wenig über die Qualität der Kundenbindung aus.
Neben diesen transaktionalen KPI müssen eine Vielzahl an KPI integriert werden, welche die Beziehungs-Qualität abbilden. Die sogenannten „Engagement KPI“.

Die folgenden Kenngrößen gehören dazu:

  • Opt-Ins zu bestimmten Services (z.B. einem Newsletter)
  • Registrierte Downloads
  • Setup eines Datensatzes
  • Weitere Qualifizierung eines Datensatzes
  • Kontaktaufnahme innerhalb eines Touchpoints
  • Meinungs-Kundgebung
  • Teilnahmen an Surveys
  • Frequenz und Verweildauer auf Touchpoints
  • Empfehlungen
  • Social Engagement
  • etc.

Die Art und Ausprägung der KPI hängen hierbei natürlich stark von dem Geschäftsmodell und der Customer Journey des jeweiligen Unternehmens ab.

Die digitale Kundenbindung ist von Anfang an bi-direktional

Mit derart integralen Programmen realisieren Sie direkt 2 Vorteile, die mittelfristig zu einer Win-Win Situation für das Unternehmen und dessen Zielgruppe führen.
1. Beginnen Sie die digitale Kundenbindung mit einem Beziehungsaufbau. Mit „Zuhören“ bzw. dem sukzessive Sammeln von individuellen Kunden-Kenntnisse steigt die Relevanz Ihrer Services für den Kunden. Die Bindung zur Marke bzw. dem Unternehmen wird zunehmend partnerschaftlicher und damit stärker.

2. Engagement KPI haben auch eine Frühwarn-Funktion. Auch wenn die Customer Journey kein linearer Prozess ist, so zeigen Defizite innerhalb früher Engagement KPI, dass etwas mit dem Kundenbindungs-Programm nicht stimmt. Hier kann das Unternehmen mit entsprechenden Strategien frühzeitig reagieren und das Programm agil optimieren.

Fazit

Es ist offensichtlich, dass klassische Programme, die auf reine Rückvergütungs-Mechaniken basieren zunehmend am Kundennutzen vorbei zielen. Die Digitalisierung birgt viele Chancen, eine Kundenbindung schon lange vor dem Kauf aufzubauen. Mit einer integralen Konzeption entlang der Customer Journey entwickeln Sie hochwertige Customer Insights. Diese Insights führend zu einer subjektiv höheren Relevanz der Services für den (potenziellen) Kunden. Dem Wunsch des Kunden des 21. Jahrhundert nach mehr Wertschätzung, Selbstbestimmung und Mitspracherecht an Marken und Unternehmen wird so Rechnung getragen. Die damit einhergehende subjektive Relevanz stärkt die Bindung an Ihre Marke oder Ihr Unternehmen nachhaltig.

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Dann verpassen Sie nicht den 2. Teil mit strategischen Empfehlungen zur Implementierung integraler Kundenbindungs-Programme.

Dirk Majchrzak

Dirk Majchrzak

Dirk Majchrzak ist Initiator und Herausgeber des Digital Directors Blog. Als Kommunikationswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Marketing ist er seit über 20 Jahren in als Agentur CEO, Managing Partner und Consultant für digitale Strategien tätig. Seine Expertise ist in der strategischen und konzeptionellen Entwicklung digitaler Marken-Kommunikation, sowie der digitalen Marketing-Transformation und der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle begründet. Weitere Infos finden Sie auf der Seite ->Herausgeber.

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