Frank Frohmann, Autor und Pricing-Experte, spricht im Interview mit Dirk Majchrzak, über „Preismanagement im digitalen Zeitalter“ und die damit verbundenen Herausforderungen. Außerdem gewährt er Einblicke in sein Buch zum Thema „Digitales Pricing“. Diese Interview ist der Start einer Digital Directors Serie zum Themenkomplex „Digital Pricing“.
DM: Worum genau handelt es sich bei „Digital Pricing“?
FF: Im Zentrum des „Digital Pricing“ steht die Nutzung neuer Informationstechnologien sowie digitalisierter Prozesse für das Preismanagement. „Digitales Preismanagement“ verknüpft zwei für den Unternehmenserfolg zentrale Herausforderungen:
- „Digitalisierung“ als wichtigster Megatrend für die Entwicklung von Volkswirtschaften
- „Pricing“ als der wichtigste Stellhebel für den Unternehmensgewinn.
DM: Welche Herausforderungen bringt das „Digital Pricing“ mit sich?
FF: Der Preisoptimierung für die Unternehmensleistungen wie Produkte, Services, Software, Daten, digitale Inhalte etc. sind wichtige unternehmerische Entscheidungen vorgelagert:
- Die Festlegung der Erlösquellen.
- Die Definition des Kundennutzens als zentrale Säule des Geschäftsmodells. Dies bedeutet: Professionelles Preismanagement muss über die Optimierung des Pricing-Prozesses hinaus auch die übergeordneten Entscheidungen zum Geschäftsmodell und zum Erlösmodell reflektieren. Diese Wechselwirkungen werden mit der zunehmenden Digitalisierung des Wirtschaftslebens immer wichtiger.
Ein Beispiel hierzu: „Autonomes Fahren“ ist ein wichtiger Bestandteil des Geschäftsmodells von Google Waymo. Im Kern des Erlösmodells steht die Definition von 4 Umsatzquellen: Software und Know-how, digitale Services (z.B. autonome Lieferdienste), digitale Inhalte (z.B. Nutzung von Musik oder Videos während der Fahrt) sowie Werbung. Aus dem sehr umfangreichen Erlösmodell resultieren unmittelbar die Herausforderungen für den Pricing-Prozess. Hierbei geht es nicht nur um die Optimierung von Preishöhe („how much to charge“) und Preismodell („how to charge“) der einzelnen Erlösquellen. Die Integration der einzelnen Ansätze ist die wesentliche Herausforderung. Viele Digitalisierungs-Vorreiter (wie Apple, Amazon, Google etc.) subventionieren Teil ihres Geschäfts oft quer. Teilleistungen werden entweder kostenlos angeboten (z.B. Suchfunktion bei Google) oder deutlich unterhalb der variablen Kosten bepreist (z.B. Lesegeräte oder Smart-Speaker bei Amazon).
In meinem Buch zeige ich anhand von zahlreichen Praxisbeispielen, dass es bei der digitalen Transformation nicht um ein IT-Phänomen oder ein Instrument zur Produktivitäts-Steigerung geht. Digitalisierung ermöglicht neue Geschäftsmodelle, zusätzliche Erlösquellen, eine stärkere Einbindung von Kunden in Pricing-Prozesse und kreative Preismodelle etc. Die Digitalisierung beeinflusst alle Aspekte des Preismanagements und ermöglicht Innovation über die einzelnen Stufen des Pricing-Prozesses hinweg.
DM: Sie haben 2018 das erste Buch veröffentlicht, das die Auswirkungen der Digitalisierung auf Preismanagement umfassend beschreibt. Was erwartet die Leser?
FF: Mit Fragestellungen der Digitalisierung habe ich mich bereits Ende der 90er Jahre in Projekten für B2C- und B2B-Firmen beschäftigt. Der umfassende Erfahrungsschatz mit Digitalisierungs-Strategien und Preisoptimierungen basiert auf drei wesentlichen Tätigkeitsfeldern: Externe Unternehmensberatung, operatives Preismanagement und Inhouse-Consulting.
Mein Buch bietet einen umfassenden Überblick über Prozesse und Methoden der Gewinnoptimierung für digitale Angebote. Produkte und Services, deren Geschäftsmodell sich durch die Digitalisierung verändert, werden ebenso abgedeckt.
DM: Im Kontext des digitalen Marketings sind Instrumente wie „Dynamic Pricing“, „Real Time Bidding (RTB)“ oder „Automatic Pricing“ schon seit Jahren etabliert. Worin besteht der Unterschied zum „Digitalen Pricing“?
FF: Entscheidend beim digitalen Preismanagement ist eine breite, kundenorientierte Perspektive. „Digitales Pricing“ wird leider immer noch auf Themen wie „automatisierte Preisbildung“ oder das „Pricing für Online-Kanäle“ limitiert. Dies ist viel zu kurz gesprungen. Die zunehmende Digitalisierung befeuert Innovationen auf allen drei verbundenen Ebenen: Bei Geschäftsmodellen, bei Erlösmodellen und über den Pricing-Prozess hinweg. Alle drei Dimensionen sind Gegenstand des „Digital Pricing“. Dies belege ich in meinem Buch anhand von zahlreichen Beispielen aus verschiedenen Branchen. Abgedeckt werden die großen Technologiekonzerne (wie Amazon, Facebook, Apple) genauso wie Start-ups (Flixbus etc.). Industriefirmen, die sich den zukünftigen Herausforderungen mit innovativen digitalen Geschäftsmodellen stellen (wie Trumpf, Bosch, Mercedes und Siemens) runden die Palette an Praxisbeispielen ab. Grundvoraussetzung für die Einordnung der Praxisbeispiele ist eine klare Definition der einzelnen Elemente des Preismanagements. So findet der Leser in meinem Buch u.a. eine aus der Praxis abgeleitete Abgrenzung von „Erlösmodellen“ und „Preismodellen“, die in der Literatur bisher so nicht zu finden ist.
DM: Die Digitalisierung hat das Kundenverhalten und die Customer Journey nachhaltig verändert. Wie geht das veränderte Kundenverhalten in „Digitales Pricing“ ein?
FF: Da das Kundenverhalten gerade im digitalen Zeitalter der wichtigste Einflussfaktor des Gewinns ist, hat die Nutzen- und Preiswahrnehmung einen herausgehobenen Stellenwert in meinem Werk. Deshalb werden neueste Erkenntnisse aus der Gehirnforschung als „Fokusthema Preispsychologie“ themenspezifisch eingebettet. Aspekte der Psychologie wie „Nudging“, „Anchoring“, Loss Aversion“, „Mental Accounting“ u.a. werden nicht als isoliertes Kapitel beschrieben, sondern für Praktiker unmittelbar anwendbar anhand von konkreten Fallbeispielen aufgezeigt. Innovative Pricing-Ansätze sind ebenso ein elementarer Bestandteil dieses Buches. So widme ich z.B. der Kreation und Implementierung digitaler Preismodelle ein Kapitel.
DM: Für welche Unternehmen ist das Thema „Digital Pricing“ interessant?
FF: Digitales Pricing ist für alle Unternehmen erfolgskritisch, unabhängig von der Branche, dem Standort und der Unternehmensgröße. Die Praxisbeispiele, die der Leser im Buch findet, umfassen insofern auch alle wesentlichen Branchen. Besondere Bedeutung habe ich auf die Darstellung von Geschäftsmodelldefinitionen als Ausgangspunkt für das digitale Preismanagement gelegt.
DM: Wie schneiden denn deutsche Unternehmen aus Ihrer Sicht bei diesem Innovationsthema im internationalen Vergleich ab?
FF: Insbesondere deutsche Firmen tun sich im Vergleich zu ihren Wettbewerbern in China und USA noch eher schwer, digitalisierte Erlös- und Preismodelle zu entwickeln. Die Dominanz von Apple, Amazon, Alphabet und Microsoft sowie von Alibaba und Tencent spricht für sich. Die erfolgreichen Beispiele zu „Digital Champions“ aus dem Inland (wie Trumpf, Bosch etc.) zeigen allerdings, dass der Trend in die richtige Richtung geht.
DM: Abschlussfrage: Von wem wurden Sie am meisten beeinflusst?
FF: Meine Herangehensweise an das faszinierende Themenfeld des Preismanagements wurde wesentlich geprägt von meinem früheren Professor und Unternehmenschef Hermann Simon sowie von Georg Tacke, dem früheren CEO von Simon, Kucher & Partners. Für diese frühe Prägung durch meinen ersten Arbeitgeber bin ich sehr dankbar.
DM: Vielen Dank für das Interview!