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Die Digitalisierung ermöglicht neue Geschäftsmodelle, zusätzliche Erlösquellen, eine stärkere Einbindung von Kunden in Pricing-Prozesse, kreative Preismodelle etc. Recherchen zum Schlagwort „Digital Pricing“ zeigen aber: Digitales Preismanagement wird immer noch auf Themen wie „automatisierte Preisbildung“, „Dynamic Pricing“ oder „Pricing für Online-Kanäle“ limitiert. Dies ist viel zu kurz gesprungen, wie ein Blick auf die zunehmend dynamischen Unternehmensbeispiele beweist.

Die digitale Transformation von erfolgreichen B2B- und B2C-Unternehmen befeuert Innovationen auf allen drei verbundenen Ebenen: Bei Geschäftsmodellen, bei Erlösmodellen und über den Pricing-Prozess hinweg. Alle drei Dimensionen sind Gegenstand des Digital Pricing. Dies gilt für die großen Technologiekonzerne (wie Amazon, Alphabet, Apple, Microsoft, Alibaba) genauso wie für Start-ups (Flixbus, Meituan Bike, Waymo etc.). Auch Industriefirmen, die sich den zukünftigen Herausforderungen mit innovativen digitalen Geschäftsmodellen stellen (wie Trumpf, Bosch und Siemens) bieten eine Fülle von Praxisbeispielen.

Praxisbeispiele zur Verknüpfung von Geschäfts-, Erlös- und Preismodellierung

Hitachi ist eines von zahlreichen Beispielen für diesen Dreiklang und soll hier kurz skizziert werden: Das Unternehmen veränderte vor einigen Jahren die Architektur der Wertschöpfung (Operating-Model) in einem B2B-Geschäftsbereich. Neueste Sensortechnologien wurden in Zugsysteme integriert. Die neuen Mess-Methoden erlaubten eine deutliche Verbesserung der Pünktlichkeitsrate der Züge (Value-to-Customer).

  • Das Geschäftsmodell verschiebt sich vom „Verkauf von Produkten“ zum „Angebot von softwarebasierten Services.
  • Das Erlösmodell wechselt von Einmalzahlungen zu stetigen Zahlungsströmen.
  • Und das Preismodell leitet sich daraus wie folgt ab: Je besser die Pünktlichkeitsrate, desto höher der Preis
3-Ebenen-Modell

3-Ebenen-Modell-Frank Frohmann

Der spanische Zugbetreiber AVE geht – basierend auf dem gleichen Wertschöpfungsansatz und Erlösmodell – im Pricing sogar noch einen Schritt weiter: AVE bietet den Reisenden für innerspanische Verbindungen eine Pünktlichkeitsgarantie. Wird das Leistungsversprechen verfehlt, erhält der Reisende den kompletten Kaufbetrag zurück.


Zwischenfazit: Marktchance durch Kundenzentrierung und Technologie-Einsatz

Als Zwischenfazit lässt sich festhalten: Die notwendige Grundlage der 3-stufigen digitalen Transformation sind neue Technologien (Sensor-Technologie, Internet der Dinge, Cloud. Künstliche Intelligenz, Blockchain etc.). Aber erst die tragfähige Kundenanforderung macht aus dem technologischen Potenzial eine Marktchance, die monetarisiert werden kann. In der immer dynamischeren Digitalisierungslandschaft lassen sich folgende Zusammenhänge beobachten:

1. Dynamic Pricing (Praxis-Beispiel)

Digitale Pricingansätze wie z.B. „Dynamic Pricing“ alleine sind kein Garant für unternehmerischen Erfolg. Der Fahrdienstvermittler Uber – als einer der Protagonisten des dynamischen Pricing – macht seit Jahren Milliardenverluste. Der Uber-Wettbewerber Addison Lee hingegen geht einen komplett anderen Weg und differenziert sich über eine einfache Preispolitik. Die Philosophie des „each ride guarantees the same price“ lautet: Einfachheit und Berechenbarkeit für den Kunden („no negative surprise“). Mit diesem Preismodell hat Addison Lee einen USP aus Kundensicht kreieren können.

2. Abo-Preismodelle (Praxis-Beispiel)

Auch wenn Subskriptionsmodelle in zahlreichen Industrien an Bedeutung gewinnen (Automobil, Airlines, Ridehailing, Bikesharing etc) gilt auch hier: Abo-Preismodelle sind kein Garant für Gewinne, wenn das übergeordnete Geschäftsmodell nicht tragfähig ist. Beispiel Spotify: Weltmarktführer bei Musikstreaming-Diensten; hoher Kundennutzen; sehr gute Kenntnis der Kundenanforderungen. Aber: Das Geschäftsmodell der B2C-Plattform (Contentprovider für Musikstreaming) basiert auf Inhalten, die von den Rechteinhabern (den Musiklabels) teuer eingekauft werden müssen. Daraus resultiert ein nicht tragfähiges Gewinnmodell,- denn die Zahlungsbereitschaft der Nutzer für Streaming-Dienste geht im Schnitt nicht über die Preisschwelle von 10 Euro hinaus.

3. Digitalisierung ermöglicht kreative und differenzierende Preismodelle

Digitalisierung bietet enorme Chancen zur Differenzierung im Pricing. Nicht über den Preisbetrag als solchen (Zähler der Preisformel). Sondern über das Preismodell (den „Nenner“ des Preises).
Beim Preismodell geht es nicht um die Frage des Betrages, den der Kunde zahlt. Sondern um die Bezugsgröße: Wofür, wie, wann und in welcher Form zahlt der Kunde? Weitere innovative output-orientierte Preismodelle haben u.a. Michelin (Autoreifen; „Preis per Kilometer“), Enercon (Windturbinen; Preis pro Output/Kilowattstunde), BASF (Autolacke; Cost per unit) und Schindler (Aufzüge; Preis pro transportiertes Gewicht) kreiert. In B2C-Märkten sind der Kreativität – basierend auf neuen Technologien wie AI – fast keine Grenzen mehr gesetzt. Als Beispiel sei das Preismodell „pay per smile“ (Theater in Barcelona) genannt.

4. Erfolgreiche Preisstrategien sind kundenzentriert

Alle erfolgreichen Preisstrategien basieren auf der Ausrichtung an Kundenanforderungen. Dort, wo Preisbereitschaften und Kundenfeedbacks ignoriert werden, sind Probleme vorprogrammiert. Als Sixt vor Jahren mit einem Aufschlag für Langstrecken in Deutschland experimentierte, war der Aufschrei der B2B-Kunden groß. Sixt gab die Initiative auf. Die Begründung für das Kundenfeedback ist einfach: Systemwettbewerber wie Deutsche Bahn arbeiten mit Preisanreizen für längere Distanzen. Eine Abkehr von diesem gelernten Mechanismus wurde abgestraft.

5. Der Kundennutzen ist erfolgskritisch

76 % aller Neuprodukteinführungen scheitern im Markt. Einen ähnlich hohen Fehlschlagwert identifizierte SKP in einer Studie über Digitalisierungsaktivitäten. Die Begründung in beiden Fällen: Kundenanforderungen finden zu wenig Beachtung.

6. Geschäftsmodelle müssen tragfähig sein

Wenn im Markt keine ausreichende Zahlungsbereitschaft vorhanden ist oder das Geschäftsmodell insgesamt nicht profitabel ist, lässt sich dies durch den besten Algorithmus nicht kompensieren. Tools, Methoden und automatisierte Pricing-Mechanismen sind wichtig, aber nur eine notwendige Bedingung. Erfolgreiches „Digitales Pricing“ startet mit einer Ausrichtung des Geschäftsmodells an Kundenbedürfnissen!

Fazit

Der Optimierung des Pricing-Prozesses für alle Unternehmensleistungen (Produkte, Services, Software, Inhaltsangebote, Daten etc.) sind wichtige unternehmerische Entscheidungen vorgelagert. Zum einen die Festlegung der Erlösquellen (Erlösmodell). Zum anderen die Definition des Kundennutzens als zentrale Säule des Geschäftsmodells. Dies bedeutet: Professionelles Preismanagement muss über die reine Optimierung (Pricing-Prozess) hinaus auch die übergeordneten Entscheidungen zum Geschäftsmodell und zum Erlösmodell reflektieren. Diese Wechselwirkungen werden mit der zunehmenden Digitalisierung des Wirtschaftslebens immer wichtiger. Die beiden folgenden Blogbeiträge widmen sich den Themen „Erlösmodelle“ und „Preismodelle“.

Bildnachweis: Rob Necciai

Frank Frohmann

Frank Frohmann

Frank Frohmann hat über 24 Jahre Führungserfahrung in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Preismanagement. Er verfügt über umfangreiche Preiskompetenzen in den Bereichen Inhouse-Consulting (Bosch, Lufthansa Cargo, Evonik), operatives Pricing, Yield Management (Lufthansa Passenger Business) und Management-Consulting (Simon-Kucher, Homburg & Partner, Roll & Pastuch). Sein Buch “Digital Pricing” ist das erste Werk, das “Digitalisierung” (als wichtigster Megatrend) und “Pricing” (als effektivster Gewinnhebel) kombiniert. Es wurde vom Springer Verlag im September 2018 veröffentlicht. Frank Frohmann ist Keynote Speaker zu Themen wie „Digitale Transformation und Preismanagement“ auf internationalen Konferenzen. Er begann seine Karriere 1996 bei Simon-Kucher & Partners. Seine Diplomarbeit “Pricing im Luftverkehr” schrieb er am Lehrstuhl von Hermann Simon. → LinkedIn → XING

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